Twalib hatte ihn schon vor Wochen gebracht. An Halloween war endlich Zeit ihn zu kosten:
Eine Neuburger Spätlese Kabinett aus Klosterneuburg, Jahrgang 1969.
Die Flasche war mit Wachs verschlossen, aber am Inhalt konnte man erkennen, dass schon viel verdunstet war. Die Oberfläche war groß, die Flüssigkeit dunkel. Eine „Low Shoulder quasi. Er war also entweder schlecht gelagert, oder der Korken war hinüber. Wir erwarteten nicht viel, als wir ihn öffneten, der musste kaputt sein.
Nun, aus mittlerweile 10 Jahren Wein-Education wissen wir:
- So ein Erlebnis teilt man.
- Da packt man die besten Gläser aus.
- Nach dem Öffnen nicht zu lange warten, die brauchen nicht mehr so lange belüftet werden, aber Umfüllen ist empfehlenswert (wegen dem Depot und Fehlgerüchen) – wir sind aber keine Dekantierer und lassen das meistens weg.
- Will man wissen, ob ein alter Wein noch gut ist, vorsichtig dran schnuppern. Wenn nichts Stechendes zu riechen ist, weiter rein, mit der Nase. Nun tief in die Nase einatmen. Wenn zwischen den Augenbrauen noch immer nichts sticht, ist er noch gut. Wenn ein stechender Geruch zu bemerken ist, ist er schlecht. Vorsichtig sein, beim Riechen – langsam mit der Nase reintasten!
- Ein gut sitzender elastischer Korken ist bei alten Weinen ein Qualitätssiegel
Schon als Günter den Korkendreher ansetzte, spürte er das Alter des Korkens. Es war kaum Widerstand zu fühlen. Er hatte Angst, der Korken würde zerbröseln, aber er brachte ihn in einem Stück heraus. Wie ein Korken sah das schwarze morsche Ding aber nicht mehr aus.
Dann kam die maggi-farbene Flüssigkeit in Omas schönste Kristall-Dessertwein Gläser. Alleine die aus dem Schrank zu holen, verleiht dem Moment schon Feierliches. Mit diesem alten Wein aber, war es eine richtig aufregende Sache.
Vorsichtig gossen wir je 2 fingerbreit in die Gläser. Dann gingen wir der Reihe nach vor.
Optische Ansprache, Riechen, Kosten. Aus unserem reichhaltigen Wortschatz zur Weinansprache gruben wir die Begriffe Sherry und Saffian aus – also ledrig.
Er war stark oxidiert, malzig, rumtopfig ohne Frage. Aber es war ein 50 Jahre alter Dessertwein – und das eine Glas nahmen wir.
Die Frucht beim Süßwein zu beschreiben, fällt uns immer schwer, und obwohl er durchaus noch leicht fruchtig war, schafften wir es nicht.
Der Spaß war nach 2 Stunden auch vorbei, wir probierten dann nochmal, die Qualität war aber deutlich schlechter. Es stimmt also – lange atmen brauchen so alte Weine nicht,
Nun, abendfüllend war das Fläschchen nicht und wir ergänzten mit Birnenmost, Purcari, Chianti und Big John. Leider hatte das „fünfte Element“ einen Korken, er war auch schon 20 Jahre alt. Wir konnten ihn nicht trinken. Sehr schad.
Aber das alte Flascherl war ein aufregendes Erlebnis.